Mein Werdegang und die Hürden meines Lebens

Ein Traum wird wahr… Mein Weg zur Ärztin war keineswegs einfach und hat einige Tränen gekostet. Seitdem ich denken kann, wollte ich schon immer Ärztin werden. Ich habe nichts in die Wiege gelegt bekommen, sondern habe hart darum gekämpft. Es gab viele Hürden in meinem Weg von denen ich einige mit euch teilen möchte. Vermutlich wird der eine oder andere von euch sich wiederfinden und kann von meinen Erfahrungen profitieren. Heute weiß ich, dass Allah (t) mir diese Hürden gab, um zu sein wer ich heute bin: eine leidenschaftliche Ärztin mit viel Empathie, Ausdauervermögen, einem breit aufgestellten Wissen und einer Promotion in der Tasche. Und dafür bin ich unendlich dankbar. Elhamdulillah. Nun verstehe ich den Vers aus dem Quran: „Aber vielleicht ist euch etwas zuwider, während es gut für euch ist, und vielleicht ist euch etwas lieb, während es schlecht für euch ist. Allah weiß, ihr aber wisst nicht.“ (2:216). Allah (t) war meine größte Stütze in all dieser Zeit. Das bedingungslose Vertrauen auf Allah war die wichtigste Lektion in meinem bisherigen Leben.



Hürden meines Lebens Teil I: 

Ja, ich weiß – voll peinliches Foto aus dem Jahr 2000 😅 (Buffalo Schuhe und so) und alles in weiß, anscheinend habe ich die weiße Farbe schon immer geliebt. Ärztin sein war quasi schon im Blut 😊  An diesem Tag hatte ich meinen erweiterten Abschluss in der Realschule erhalten. Ich wollte natürlich Abitur machen, um endlich Medizin studieren zu können. Der Übergang in das Gymnasium war leider schwerer als gedacht. Warum auch immer habe ich mir damals einer der schwersten Gymnasien der Stadt gewählt, da ich ein gutes Abitur in einer guten Schule wollte. Die Umstellung fiel mir nicht leicht und ich konnte nicht gut folgen. Ich gehörte dann leider nicht mehr wie einst zu den besten Schülerinnen, sondern schlug mich grade mal so durch. Diskriminierung im Bildungswesen ist für viele kein Fremdwort mehr und kommt leider heute noch viel zu oft vor. Auch ich wurde Opfer von Diskriminierung und konnte trotz gleichwerter bis bessere Leistung nicht dieselben Noten wie meine Mitschüler:innen erhalten. Mein Kampf gegen die Ungerechtigkeiten wühlte mich nicht nur emotional auf, sondern führten auch dazu, dass ich zur Außenseiterin wurde. 😔 In der Realschule noch beliebt und viele Freunde und im Gymnasium wenige, aber dennoch gute Freunde gehabt. Ja das war nicht leicht. Aber ich habe trotz Umstellung gekämpft, um mein Traum nicht aufzugeben. Ich war nach Schulende oft in der Bibliothek, um hinterherzukommen, nahm mir auch Nachhilfe in einigen Fächern und hab natürlich viel gebetet, dass Allah (t) es mir leicht macht. Und siehe da, die Noten wurden nach und nach deutlich besser. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Egal wie steinig er auch sein mag. 



Die Hürden meines Lebens Teil II  

ABITUR 2004 – Ein Tag der Freude aber auch gleichzeitig der Trauer. Nach einer freiwilligen Wiederholung zur Notenbesserung hatte ich endlich als erste in der Familie mein Abitur in der Hand. Leider habe ich aufgrund meiner Leistungen in Mathematik das damalige NC für das Medizinstudium auch wenn knapp, nicht erreicht. 😔 Noch härter hat es mich getroffen als ich von der ZVS (so hieß damals hochschulstart.de) offiziell die Absage fürs Medizinstudiumplatz bekommen habe. Ich habe sehr viel geweint. Mein Traum war schließlich vor Augen geplatzt. Es hieß, um reinzukommen würde es mindestens 3 Jahre dauern. Vergeblich versuchte ich durch das Losverfahren in andere Universitäten reinzukommen. Irgendwann hatte ich mich entschieden, die Zeit sinnvoll zu überbrücken – denn meinen Traum wollte ich nicht so schnell aufgeben. Irgendwas Medizinisches sollte es sein und vor allem im Krankenhaus, also bewarb ich mich für die Ausbildung als Medizinisch-Technische Assistentin (MTA) und auch für die Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin (Krankenschwester). Einige Mitmenschen erzählten mir, dass ich als Kopftuchträgerin keine Chance hätte. Und siehe da: Ich hatte damals 4 Bewerbungen geschickt und gleich 4 Zusagen entweder für ein Vorstellungsgespräch in einer Krankenpflegeschule oder einer MTA-Schule bekommen. Also lasst euch nichts einreden, ein Weg öffnet sich immer. Nicht nur einmal, sondern mehrmals probieren!! Ich würde allen Personen, vor allem denen mit Migrationshintergrund und Hijabis raten: wenn möglich immer den besten Schulabschluss anstreben, das macht sehr viel aus. Und vor allem solltet ihr selbstbewusst sein, zu dem stehen was ihr seid. Und natürlich IMMER Tavakkul 💕 #bestrong 💪🏻 



„Schwester Hatun“ 

Ich war vor meinem Studium Gesundheits- und Krankenpflegerin (Krankenschwester). Ich habe mich nach dem Abitur für eine medizinnahe Ausbildung entschiede, um meine Wartezeit fürs Medizinstudium zu überbrücken. Und deshalb war die Arbeit am Krankenbett die sinnvollere Variante für mich. Denn als Arzt ist es nicht anders. Ich habe eine 3-jährige Ausbildung gemacht, die wirklich sehr anspruchsvoll war: Arbeiten und Lernen gleichzeitig. Im ersten Ausbildungsjahr konnte ich mich nicht so anfreunden und habe viel geweint. Auch wurde ich grade in meinem ersten Einsatz auf Station sehr mies von dem Team behandelt, was sich auf meine Motivation sehr auswirkte. Ich hätte beinahe abgebrochen. Ein Glück waren die nächsten Einsätze und die Arbeit mit Patienten dann ganz anders, sodass ich letztendlich so viel Kraft und Freude gewonnen hatte, dass ich die Ausbildung mit „gut“ abschloss. Im Anschluss habe ich noch einige Jahre gearbeitet, ehe ich mit dem Studium begann. Neben dem Studium habe ich noch nebenbei weiterhin als Krankenschwester gearbeitet.  

Ich muss schon sagen, dass ich wirklich sehr gerne die „Schwester“ war, da die Arbeit mit Menschen mich persönlich sehr viel weiterbrachte. Man hatte auch so eine Nahbeziehung und half Menschen in einer schweren Situation. Und das als Hijabi (Kopftuchträgerin) in einer nicht-muslimischen Gesellschaft. Man konnte mit Hilfe und seinem Charakter eine Art Dawa Arbeit machen, ohne den Islam wirklich erwähnen zu müssen. Und darum geht es auch: Wir Muslime müssen Vorbilder sein in jeglicher Hinsicht. Dawa heißt nicht nur, den Islam den Menschen zu erzählen, sondern viel mehr mit seinem Ahlaq (Charakter) die Menschen zum Andersdenken zu bewegen, genau wie der Prophet Muhammed (sav) es tat. Ich könnte über so viele Momente erzählen, wo Menschen/Patienten, die vorher den Islam mit Negativem assoziierten später anders eingestellt waren.  

Um ehrlich zu sein, weil mich das erfüllt und ich gerne gearbeitet hatte, wollte ich eine Zeit lang gar nicht mehr Medizin studieren und hatte mich letztendlich nicht mehr fürs Studium beworben. Das ist aber glaube ich bei jedem ganz anders – es gibt Leute, die das andersherum empfinden. Aber irgendwann wurde ich von meiner lieben Familie und Freunden dazu „überredet“ Medizin zu studieren, sie waren alle erstaunt, dass ich nicht mehr meinen Traum ausleben wollte.  Und ehe ich es irgendwann bereuen würde, habe ich mich letztendlich entschlossen die Herausforderung zu packen und war sehr glücklich drüber. Nicht weil ich als Ärztin eine besondere Stellung habe, sondern vor allem wegen dem umfassenden medizinischen Wissen und Hilfe in Notfallsituationen. Außerdem hat man als Pflegekraft in Deutschland nur beschränkte Möglichkeiten Anordnungen zu treffen und wird leider von der Gesellschaft nicht ausreichend genug gewürdigt.  



23.11.2017 – Der Tag an dem ich Ärztin wurde… 

Offically Dr. Hatun now 🙈 Thank you for all the love and support ❤Ich danke vor allem in erster Linie Allah (t), dass Er mir meinen Kindheitstraum nach so vielen Jahren verwirklicht hat! Und dann danke ich meiner Familie und meinen Freunden sehr, die mir Jahre hinweg bei Seite standen und mir Dua gemacht haben ❤ Ich hatte ein wirklich sehr hartes Studium und zum Schluss auch harte Prüfungstage, wo ich vier Professoren beweisen musste, dass ich als Ärztin für die Menschheit geeignet bin. Und elhamdulillah ich habe es geschafft! Ich wünsche euch allen nur das Bessere – Mögen all eure Träume in Erfüllung gehen. Seid geduldig, denn Allah garantiert im Quran „Wahrlich, mit der Erschwernis kommt die Erleichterung, gewiss mit der Erschwernis kommt die Erleichterung “ (94:5-6) 💕