Alle Informationen rund um COVID-19

Als Ärztin, die bisher fast täglich mit COVID-Patienten zu tun hat, möchte ich euch einen Einblick in die Thematik aus meiner Perspektive geben und sehe es als meine Aufgabe, euch durch gesicherte Informationen aufzuklären. Neben meiner klinischen Erfahrung habe ich mich mit vielen COVID-spezifischen Thematiken selbst befasst und viele Studien gelesen. 

COVID-19 – Eine Erkrankung, die uns alle überrascht hat!

Ihren Beginn im Dezember 2019 in China habend, hat sich COVID-19 mittlerweile in der ganzen Welt wie ein Lauffeuer verbreitet. Wir befinden uns in einer Pandemie, wie sie lange schon nicht mehr auf der Welt existiert hat. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war die Verbreitung von Infektionserkrankungen gang und gäbe. Menschen verstarben aus diesem Grund häufig früh. Aber mit der Entwicklung diverser Medikamente – unter anderem Antibiotika und Impfungen – und die Verbesserung der Hygiene sind diese zurückgegangen. Sie sind zwischenzeitlich wieder aufgetreten (Ebola, Schweine- oder Vogelgrippe, SARS), aber blieben häufig eher regional oder waren in ihrer Verbreitung nicht mit COVID-19 vergleichbar.  

Zu Beginn der Pandemie waren die meisten Mediziner:innen in der Welt entspannt, als die ersten Informationen dazu aus China kamen. Die meisten von uns hatten das neuartige Coronavirus mit der Pandemie SARS 2002 verglichen, für die auch Coronaviren verantwortlich waren, die sich weltweit zwar ausbreiteten, dann aber doch eher regional (auf Südostasien) begrenzt blieben. Bei SARS 2002 traten man ebenfalls grippeähnlichen Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl und Muskelschmerzen auf. Man sah aber im Gegensatz zur normalen Grippe, dass dieses Virus oft zu einer Lungenentzündung mit überdurchschnittlich häufigem tödlichem Ausgang führte. Das Ende war nach 1,5 Jahren durch drastische lokale Maßnahmen bewirkt worden. Der Ausbruch führte insgesamt zu 8.000 Erkrankten und 774 Todesfällen.  

Aufgrund dieser Erkenntnis vermuteten wir, dass das Virus auch in diesem Fall eher regional bleibt. Dass dies aber nicht vergleichbar war, haben wir spätestens beim Aufkommen des Virus in Europa (Italien) bemerkt. Erst dann wurden in Deutschland Maßnahmen der Regierung ergriffen und Vorbereitungen in den Kliniken getroffen. Und spätestens, als es auch in unserer Klinik eintraf, merkten wir: Diese Erkrankung ist nicht mit anderen Erkrankungen vergleichbar, denn sie breitet sich rasant aus, zu schnell und oft unbemerkt. Man darf gewisse Menschen, Regierungen und Organisationen für ihr (anfängliches) Fehlverhalten aber nicht beschuldigen. Es hat uns alle überrascht. Wir haben mit jedem Tag neue Erkenntnisse über dieses Virus/Erkrankung gewonnen und dementsprechend gehandelt. Wir stellen nun fest: Auch die Behandlung ist nicht so einfach, insbesondere, was die schweren Fälle betrifft.   

Das neuartige Coronavirus 

Ein paar wichtige Informationen zu Viren im Allgemeinen 

Im Gegensatz zu Bakterien sind Viren keine richtigen Lebewesen. Sie haben keinen Stoffwechsel und können sich nicht selbst vermehrten. Sie sind quasi tot. Sie brauchen den Menschen als Wirt, um sich zu verbreiten. Nach Kontakt über die Schleimhäute dringen sie in den Körper und somit letztendlich in die Zelle des Menschen ein, in denen sie ihre Virus-Kopien millionenfach herstellen und immer weiter Zellen befallen. Vor allem die RNA-Viren, zu denen SARS-CoV-2 gehört, können sich unkontrolliert vermehren. Der Befall der menschlichen Zelle macht die Behandlung von viralen Erkrankungen sehr schwierig, weshalb man andere Wege zur Bekämpfung (wie z.B. die Impfung) im Laufe der Medizingeschichte entwickelt hat.  

Coronaviren und ihre Pandemien

Es gibt verschiedenste Virenfamilien. Die Coronaviren wurden bereits in den 60er Jahren entdeckt. Mit ihnen können sich Menschen und Tiere infizieren. Sie verursachen beim Menschen vorwiegend milde Erkältungskrankheiten. 2002 zeigte sich, dass eine neue Art von Coronaviren, das SARS-CoV-1, nicht nur eine Erkältungssymptomatik, sondern auch schwere atypische Lungenentzündungen (SARS-Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) hervorrufen können, welche tödlich enden können.  

SARS-CoV-1 war für die SARS-Pandemie 2002 verantwortlich. Sie hat ebenfalls in China durch die Übertragung von Fledermäusen auf den Menschen begonnen. Sie hat sich zwar auch weltweit ausgebreitet, aber ihr Ausbruch führte nur zu 8.000 Erkrankten und 774 Todesfällen. 2012 hatten wir auch mit einem weiteren Vertreter der Coronaviren zu tun, nämlich dem MERS-VIRUS, welches sich eher im arabischen Raum verbreitet und auch zu schweren Lungenentzündungen geführt hat. Die Übertragung fand hier von Dromedaren auf den Menschen statt. Im Vergleich zu COVID-19 sind diese Pandemien eher „milde“. Da das jetzige neuartige Coronavirus auch zu SARS geführt hat, wurde letztendlich der Name SARS-CoV-2 gewählt.  

Der aktuelle Stand der COVID-Pandemie weltweit: 80.155.187 Fallzahlen – 1.771.182 Todesfälle

WHO-Stand: 29. Dezember 2020

Diese Zahlen und die Begegnung mit COVID-Erkrankten zeigen ganz klar, dass wir mit einem sehr gefährlichen Virus zu tun haben. Zu erwähnen ist, dass diese Zahlen trotz der Maßnahmen aller Regierungen vorhanden sind! Das heißt, würden die verschiedenen Länder diese Maßnahmen nicht durchgeführt haben, würden wir von noch viel höheren Fallzahlen sprechen, ähnlich denen der Spanische Grippe zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese war eine der schlimmsten Grippeepidemien der Menschheitsgeschichte. Man spricht von bis zu 50 Millionen Todesfällen (hohe Dunkelziffer).  

Die Spanische Grippe, Bilquelle: National Museum of Health and Medicine, Washington, D.C., United States.

Wie findet die Übertragung statt? 

Am problematischsten ist die Tröpfcheninfektion (durch Husten, Niesen), aber auch die Verteilung über die Luft (Aerosole) vor allem in geschlossenen Räumen. Vor allem im Winter scheint dies ein großes Problem zu sein, da wir die Fenster weniger zum Lüften öffnen und uns viel mehr in Räumen treffen als draußen. Die Aerosole entstehen nicht nur beim Husten, sondern auch beim Sprechen und Atmen. Sie sind auch für Ausbrüche in Kliniken und Betrieben verantwortlich, insbesondere, wenn es keine adäquate Lüftung gibt.  Man wies in einer Studie nach, dass SARS-CoV-1 nach drei Stunden immer noch in den Aerosolen nachweisbar war.   Eingriffe wie beim Zahnarzt, HNO-Arzt oder bei einer Magenspiegelung stellen für beide Seiten, aber insbesondere für das medizinische Personal, ein Hochrisiko dar.  Man kann nicht sicher ausschließen, dass das Virus auch durch Oberflächen im Sinne einer Kontaktinfektion (Schmierinfektion) übertragen werden kann. Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass die Widerstandsfähigkeit des Virus (Tenazität) gegenüber äußeren Einflüssen sehr hoch ist. Sie überleben auf 

  • unbelebten Oberflächen (Metall, Glas, Plastik) Stunden bis Tage 
  • Auf Plastik sogar bis zu sechs Tage infektiös  

Die Überlebenszeit ist allerdings von Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit abhängig. Viren lieben Kälte und Trockenheit. Aber beim SARS-CoV-2 konnte auch eine hohe Temperaturbeständigkeit (bis zu 65°C) nachgewiesen werden, weshalb wir im Sommer weiterhin mit der Pandemie zu kämpfen hatten, auch wenn die Fallzahlen nicht vergleichbar mit denen im Winter waren. Besteht aber eine hohe Luftfeuchtigkeit und hohe Temperatur (38°C), wird das SARS-CoV-2 innerhalb 24 Std. inaktiv.  Aufgrund dieser Erkenntnisse sind hygienische Maßnahmen sehr wichtige und sinnvolle Gegenmaßnahmen sowohl zum Schutz der eigenen Person als auch der Mitmenschen:

  • Abstand halten 
  • Mund-Nasen-Schutz tragen  
  • Verzicht auf Händeschütteln, Durchführung von Händewaschen und Händedesinfektion (mind. 30 Sekunden) gegen die direkte Schmierinfektion  
  • Flächendesinfektion gegen die indirekte Schmierinfektion  
  • Kontaktvermeidung zu vielen verschiedenen Menschen gleichzeitig  

Warum gibt es schwere und mildere Verläufe?  

Die Gründe dafür können verschieden sein. Wir hören, dass vor allem ältere Menschen oder Vorerkrankte von einem schweren Verlauf betroffen sind und jüngere Menschen eher milde Symptomatiken haben. Das ist aber nicht zwangsläufig bei jedem so. Wir erleben, dass auch junge Menschen ohne (bekannte) Vorerkrankungen schwere und ältere Menschen milde Verläufe haben können, was auch in einigen Studien bestätigt wird.  Wir beobachten aber eine Häufung von schweren Verläufen bei bestimmten Personengruppen:

Ältere Menschen: 

Bildquelle: pixabay.com

Im Alter kommt es zu einer Abschwächung der Immunantwort (Reaktion auf einen Erreger), was als Immunseneszenz bezeichnet wird. Dabei ist die spezifische Immunantwort, die normalerweise gezielt Erreger unschädlich macht, schwächer ausgeprägt. Auch die Kommunikation der Immunzellen funktioniert nicht mehr so gut.  Die spezifische Abwehr inklusive Antikörperproduktion reagiert dadurch verzögert und die unspezifische Abwehr ist verstärkt und länger aktiv. Dadurch werden vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe des Immunsystems (proinflammatorische Zytokine) freigesetzt, was bei COVID-19-Infizierten zu einer akuten Verschlechterung des Zustands führen kann. 

Vorerkrankte, insbesondere Personen mit: 

Bildquelle: pixabay.com

  • Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. Bluthochdruck, Koronare Herzkrankheit, Herzschwäche) 
  • Lungenerkrankungen (z.B. schlecht eingestelltes Asthma, chronische Bronchitis, COPD) 
  • Personen mit aktiver Krebserkrankung 
  • Personen mit einem geschwächtem Immunsystem, entweder durch eine Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht (z.B. HIV, Immundefekte, Lymphome) oder durch Einnahme von immunabwehrschwächenden Medikamenten (z.B. Cortison)  
  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) 
  • Chronische Nieren- und Lebererkrankung
  • Personen, die hohen Viruslasten ausgesetzt sind
  • Medizinisches Personal  

Besondere Personengruppen  

Geschlecht (Frauen vs. Männer) | Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen, aber Männer erkranken häufiger schwer, und das nach Studienlage (1,2) doppelt so häufig wie Frauen. Dieses Muster erkennen wir auch in der Klinik. Man vermutet hier die überproportionale Reaktion der unspezifischen Abwehr, die erhöhte Aktivität der entzündungsfördernden Botenstoffe (proinflammatorische Zytokine IL-6 und IL-18), und auch die spezifische Immunabwehr ist schwächer als bei Frauen.  

Bildquelle: freepik.com

Schwangere | Schwangere entwickeln seltener Symptome als nicht-schwangere Frauen. Risikofaktoren für eine schwere COVID-Infektion in der Schwangerschaft können ein hohes Alter, ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) und Vorerkrankungen (z.B. Bluthochdruck, Diabetes) sein. Weitere Fakten:  

  • Es besteht keine erhöhte Rate an spontanen Frühgeburten 
  • Eine Übertragung des Virus auf das Ungeborene (Fötus) scheint bisher so gut wie ausgeschlossen 
  • Bei Einzelfallberichten von Neugeborenen, bei denen SARS-CoV-2 nachgewiesen wurde, ist unklar, ob die Übertragung während der Schwangerschaft, während der Geburt oder nach der Geburt erfolgte
  • Virusvermehrung aus Muttermilch ist bislang nicht bekannt  

Weitere Informationen

Weitere Informationen für Fachpersonal aus Gynäkologie und Geburtshilfe

Kinder | Ihr Krankheitsverlauf verläuft meist sehr mild oder asymptomatisch. Aber die Viruslast bei Kindern zeigt keinen wesentlichen Unterschied zu Erwachsenen, sodass sie eine große Rolle bei der Übertragung auf ältere Personen haben.  

Bildquelle: freepik.com

Haustiere | Auch Haustiere wie Hunde und Katzen können von Menschen mit dem Coronavirus (Sars-CoV-2) infiziert werden. Dabei sind Katzen häufiger betroffen als Hunde. Hunde können einen asymptomatischen Verlauf haben, wie eine Studie aus Italien bestätigt. Die Gründe sind unklar. Für die Übertragung von Mensch auf Tier gibt es keine ausreichenden Daten.  

Bildquelle: freepik.com

Ausführlichere Informationen auf der Seite des Friedrich-Loeffler-Instituts (Bundesinstitut für Tiergesundheit) abrufbar  

Quellen: 

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1097924/umfrage/sars-todesfaelle-nach-laendern-weltweit/ 
  2. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1128458/umfrage/erkrankungs-und-todesfaelle-aufgrund-von-mers-cov-weltweit/ 
  3. https://covid19.who.int/  
  4. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/28944/umfrage/anzahl-der-todesfaelle-durch-grippe-pandemien/ 
  5. https://www.helmholtz-hzi.de/de/wissen/wissensportal/keime-und-krankheiten/coronaviren/  
  6. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=E2353733E464266E504A7C324650A55E.internet071 
  7. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejmc2004973 
  8. https://www.journalofhospitalinfection.com/article/S0195-6701(20)30124-9/fulltext 
  9. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/j.1537-2995.2006.00976.x 
  10. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14631830/ 
  11. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S016609340400179X?via%3Dihub 
  12. https://www.nature.com/articles/s41586-020-2700-3  
  13. https://www.ijidonline.com/article/S1201-9712(20)30607-X/fulltext  
  14. https://www.nature.com/articles/s41467-020-14396-9    
  15. https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2773105
  16. https://www.bmj.com/content/370/bmj.m3320  
  17. https://jamanetwork.com/journals/jamapediatrics/fullarticle/2764394  
  18. https://pediatrics.aappublications.org/content/146/4/e2020009399 
  19. https://www.nature.com/articles/s41467-020-20097-0#Ack1