Immunität – Impfung – Ende der COVID-Pandemie?

1) Wann hat es ein Ende?

Das ist schwierig zu sagen. Wir sprechen leider von Jahren, wenn das so weitergeht. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie es zur Verlangsamung kommen kann:

1) Das Virus mutiert plötzlich so stark, dass es seine Infektiosität verliert. Virusmutationen sind normal und gehören dazu – vor allem, was die RNA-Viren betrifft, zu denen SARS-CoV-2 gehört. Oder es kann wie im Falle England durch Mutation noch infektiöser werden. Auf dieser Seite kann man beobachten, welche Mutationen das SARS-CoV-2 bisher entwickelt hat. Virusmutationen kann man als Tippfehler beim schnellen Schreiben verstehen. Sie verlieren dadurch ihre Funktion nicht. Nur wenn es zu großen Fehlern beim Kopieren kommt, können sie ggf. die Infektiosität verlieren, wie es beim MERS-Virus der Fall war.

Virusmutationen SARS-CoV-2 nur für Europa, Bildquelle: Nextstrain

2) Mindestens 60 % der (Welt-)Bevölkerung muss immun sein, um von einer Herdenimmunität zu sprechen und damit die Pandemie gestoppt wird und sich Sars-CoV-2 letztlich drastisch verlangsamt oder gar ausstirbt, weil er zu wenige Wirte findet. Die Immunität kann man wiederum durch zwei Mechanismen erhalten:

COVID-19-Infektion: Man infiziert sich mit dem Virus und es werden idealerweise Antikörper in unserem Immunsystem entwickelt, die im Falle einer Re-Infektion wissen, wie sie spezifisch das Virus eliminieren können. Aus Sicht fast aller Mediziner:innen sollte man diesen Schritt nicht gewollt in Kauf nehmen, da jeder Mensch unterschiedlich auf das Virus reagiert, sodass auch jüngere Menschen schwere Verläufe haben oder das Virus auf Risikogruppen übertragen könnten. Auch entwickelt nicht jeder eine Immunität.

Impfung auf COVID-19: Man stimuliert das Immunsystem, Antikörper bereits vor Kontakt mit dem SARS-CoV-2 zu entwickeln. Dies scheint nach bisherigen Ergebnissen erfolgreich zu sein.

Aber: Bei beiden Verfahren ist offen, wie lange die Immunität anhält. Dazu gibt es noch keine Langzeit-Studien.  

Antikörperbildung schützt vor zukünftigen Coronaviren (Immunität), Bildquelle: freepik.com

2)  Immunität

Im Rahmen der COVID-19-Erkrankung spricht man immer wieder über Immunität. Dies bedeutet, dass der Körper eigene Abwehrmechanismen gegenüber einem Erreger entwickelt hat. Das geschieht im Immunsystem durch Entwicklung von Antikörpern. Antikörper entwickeln sich nicht einfach von alleine. Der Körper muss erst in Kontakt mit dem Erreger treten, damit er diese Antikörper bilden kann. Das heißt: Im Falle einer durchgemachten COVID-19-Erkrankung entwickeln die meisten Personen Antikörper, sodass der Körper bei erneutem Kontakt mit dem Virus weiß, wie er SARS-CoV-2 unschädlich machen kann, so dass es nicht erneut zur Erkrankung kommt. Es entwickelt sich ein Immungedächtnis.

Langzeit-Studien bezüglich Immunität bei COVID-Erkrankung gibt es noch nicht. Aus aktuellen Studienlage können wir bisher sagen, dass die meisten Erkrankten diese Antikörper entwickeln, ein kleiner Teil aber nicht. Die Antikörper sind erst zwei bis drei Wochen nach Symptombeginn im Blut nachweisbar, nehmen aber nach aktueller Studienlage bei den meisten nach drei Monaten bereits ab. Die Antikörper sind im Blut nach zwei bis drei Wochen nachweisbar.

Eine Studie aus England wies nach, dass 90% der Proband:innen Antikörper entwickelt haben. Bei 41 COVID-Patient:innen, deren Erkrankung über sechs Monate zurücklag, waren immer noch Antikörper nachweisbar. Mit der Zeit werden wir sehen, ob eine durchgemachte COVID-Erkrankung anhaltende Immunität bringt. Es wurden zwar weltweit Re-Infektionen beschrieben, diese sind aber bisher eher selten.

Antikörper sind nach zwei bis drei Wochen nachweisbar, Bildquelle: LaDR

3) COVID-19-Impfung

Eine Möglichkeit, eine Immunität gegenüber SARS-CoV-2 zu entwickeln, ist die Impfung. Zu Beginn der Pandemie war den Infektiolog:innen und Epidemiolog:innen schnell klar, dass es bereits weltweit zu einer rasanten Ausbreitung kommen würde. Die Pandemie ist nicht mehr aufzuhalten und kann nur noch effektiv mit einer Impfung gestoppt werden. Im Falle von BioNTech haben diese bereits im Januar 2020 begonnen, einen Impfstoff zu entwickeln. Für Forscher:innen geht es bei so etwas weniger ums Geldverdienen, sondern vor allem um einen wissenschaftlichen Durchbruch. Und bereits jetzt steht fest: Sie haben es mit Bravour geschafft! Innerhalb so kurzer Zeit ein Medikament zu entwickeln, das effektiv und sicher ist, ist schon eine Meisterleistung. Ich bin mir sicher, dass die Forscher:innen sowohl von BioNTech als auch von den anderen Impfstoffkandidat:innen Tag und Nacht für diese Entwicklung gegeben haben. Dafür möchte ich mich bedanken.

Was ist eine Impfung und wofür brauchen wir sie?

Impfungen kommen bei infektiösen Erkrankungen, insbesondere bei viralen Erkrankungen, zum Einsatz, weil …

  1. … die Behandlung schwierig ist: Viren benutzen den Menschen bzw. die menschliche Zelle, um sich zu vermehren. Deshalb sind antivirale Medikamente häufig mit hohen Nebenwirkungen verbunden, da sie auch die menschliche Zelle angreifen. Diese Medikamente lassen sich sehr schwer entwickeln. Es gibt nicht „das“ antivirale Medikament: Unterschiedliche Viren, unterschiedliche Ansatzpunkte bedeuten die Entwicklung verschiedener antiviraler Medikamente. Es gibt nur wenige antivirale Medikamente auf dem Markt.

2) … die Formen der Erkrankungen sehr infektiös sind: Sie verbreiten sich schnell von Mensch zu Mensch und bringen in einem gewissen Grad Komplikationen mit sich. Deshalb wurden mit der Zeit Impfungen entwickelt, um diese Probleme und Komplikationen zu verhindern.

Es wurden mit der Zeit unterschiedliche Impfmethoden entwickelt. In der Regel spritzt man einen Teil des Erregers, welcher nicht infektiös ist, in den Körper. Unser Immunsystem merkt sofort den Eindringling, versucht ihn zu bekämpfen und entwickelt langfristig Antikörper, damit die Erreger auch spezifisch – auch für die Zukunft – bekämpft werden.

Die COVID-Impfung, Foto von Nataliya Vaitkevich von Pexels

Die „COVID-Impfung“

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich derzeit 47 Impfstoffe in der klinischen Prüfung, davon zehn in der Phase 3 (also der klinischen Phase, die kurz vor der Zulassung steht). Ich möchte hier vor allem auf die Impfung von BioNTech eingehen, da diese in Deutschland neu zugelassen wurde und die Verteilung und Verabreichung ab 27.12.2020 begonnen wurde.

Die BioNTech/Pfizer-Impfung BNT162b2 „Lightspeed“ (Lichtgeschwindigkeit) ist eine mRNA-Impfung. Es ist eine komplett neue Art von Impfung, die aber bereits vor der COVID-19-Pandemie in klinischen Studien an 400 Krebspatienten unbedenklich getestet wurde.

Das Impfmaterial selbst ist nicht infektiös. Es enthält nur genetische Informationen des Erregers, eine Art „Bauplan“ speziell für das Oberflächenproteins (Spike), mit dessen Hilfe das Virus in die Zelle dringt. Nach Impfung gelangt diese Information in die menschliche Zelle. Hier wird das Oberflächenprotein letztendlich produziert, und das Immunsystem erkennt sofort das Problem und stellt Antikörper gegen dieses Protein her. Letztendlich wird eine COVID-19-Infektion vorgetäuscht, ohne wirklich erkrankt zu sein. Das heißt also: Wenn wir tatsächlich mit dem Virus in Kontakt treten sollten, kann unser Immunsystem sofort spezifisch das Virus bekämpfen und unschädlich machen, sodass wir nicht krank werden.

Ist diese Impfung erfolgreich?

Ja, in 95% aller Fälle in den Studien entwickelten die Proband:innen Antikörper gegen SARS-CoV-2.

Was sagt die BioNTech-Studie aus?

Bereits in der Phase 1 und 2 der Studie wurden gesunde Proband:innen aus Deutschland (60 Proband:innen) und den USA (45 Proband:innen) zwischen 18 und 55 Jahren zwischen April und Juni getestet. Es wurde hier bereits eine gute Wirkung bezüglich Immunität und Sicherheit der Impfung nachgewiesen. Es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse, sodass Phase 3 der Studie zugelassen wurde, bei der der Impfstoff an mehr Menschen getestet werden konnte.

Phase 3 der Studie fand weltweit an 152 unterschiedlichen Standorten statt. Insgesamt wurden 43.548 Personen ab 16 Jahren und unterschiedlichen Alters und auch mit Vorerkrankungen (u.a. Krebs, chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes, Bluthochdruck) für die Studie rekrutiert.

21.720 Personen erhielten die Impfung (30µg von BNT162b2) und 21.728 ein Placebo (Medikament ohne Wirkstoff) im Abstand von 21 Tagen gespritzt. Dies war eine Doppelblind-Studie, d.h. weder die geimpfte Person noch der Impfende wusste, ob die Impfung oder das Placebo verabreicht wurde.

Ergebnis: 8 COVID-19 Fälle in der Impfgruppe im Gegensatz zur Placebogruppe mit 162 COVID-Fällen. Von zehn schweren COVID- Fällen waren 9 alleine aus der Placebogruppe ermittelt worden. Ohne Impfung haben wir ganz klar viel mehr COVID-Fälle und vor allem auch schwere Fälle. Daraus ergibt sich, dass die Impfung in 95% der Fälle COVID-19 verhindern kann und somit die Impfung effektiv ist. Die Schutzwirkung trat bereits nach der ersten Impfdosis nach zehn Tagen (52,4 %) ein, nach der zweiten Dosis bei über 95%. Das ist für eine schnell entwickelte Impfung ein sehr gutes Ergebnis. Die Impfung gegen Influenza hat sogar nur 60% Effektivität.

Nebenwirkungen: Zu häufigen Nebenwirkungen wurden Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen und Fieber beschrieben. Dieses wurde vor allem bei jüngeren Proband:innen und vor allem nach der zweiten Impfung beobachtet. Ältere haben die Impfung gut weggesteckt. Es wurden insgesamt keine schweren Komplikationen in Zusammenhang mit der Impfung beobachtet. Es wurden insgesamt sechs Todesfälle berichtet, zwei davon in der Impfgruppe (einer durch Atherosklerose, einer durch Herzstillstand) und vier davon in der Placebogruppe (zwei aus unbekannter Ursache, einer durch einen hämorrhagischen Schlaganfall und einer durch einen Myokardinfarkt). Jedoch standen diese Todesfälle nicht in Zusammenhang mit der Impfung, im Gegenteil: Es sind mehr Sterbefälle in der Placebogruppe dokumentiert worden.

Zu den Nebenwirkungen: Sie hören sich im ersten Moment dramatisch an, aber dies ist nichts Neues und ist generell eine GEWÜNSCHTE Nebenwirkung bei Impfungen. Denn diese zeigen, dass das körpereigene Immunsystem sofort das Problem erkannt hat und bereits Antikörper entwickelt. In so einem Moment zu Schmerz- oder fiebersenkenden Mitteln zu greifen ist aber nicht falsch. Nebenwirkungen verschwinden in der Regel nach ein paar Tagen wieder.

Übrigens: Sollten über Impfungen weltweit berichtet werden, muss man in erster Linie schauen, wo geimpft und welcher Impfstoff verwendet wurde. In der Türkei wird ein ganz anderer, aber auch über 90% wirksamer Impfstoff (CoronaVac, Vectorimpfstoff) im Einsatz als in Europa, auch Russland hat einen anderen Impfstoff. Das liegt daran, dass die Länder mit verschiedenen Unternehmen Verträge abschließen. Der Impfstoff von CoronaVac ist preislich sogar teurer als der von BioNTech.

Ist die Impfung sicher?

Laut Studienlage wurden keine schweren Komplikationen entwickelt. Medikamente werden nicht einfach so auf den Markt gebracht. Sie werden in Deutschland durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und in Europa durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) kritisch geprüft. Hier wird die Wirksamkeit und Sicherheit kontrolliert. Dann erst stellt man eine „Zulassung“ aus, ähnlich einem Führerschein, durch den man sich im Straßenverkehr bewegen darf. Beide Zulassungsstellen und auch die für die USA (FDA) sehen keine Sicherheitsbedenken für die Impfung.

Greift die Impfung unser Erbgut an?

Nein, es handelt sich um ein mRNA und nicht um einen DNA-Impfstoff. mRNA gelangt nie in den Zellkern, dies ist ein natürliches Gesetz.

Muss ich mich impfen lassen?

Nein, die Impfung ist freiwillig. Man muss auch nicht sofort entscheiden, sondern hat noch viel Zeit zum Überlegen. Allerdings muss man sagen: Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto schneller wird das Virus gebremst und wir können wieder von Normalität sprechen. In Deutschland und weltweit brauchen wir dafür mindestens 60% der Menschen. Deshalb wird uns dies noch mindestens ein Jahr, wenn nicht weitere Jahre begleiten.

Ich habe COVID-19 durchgemacht. Muss ich mich auch impfen?

Da die meisten Erkrankten Antikörper und somit eine gewisse Zeit eine Immunität entwickeln, muss man sich nach aktuellen Empfehlungen vorerst noch nicht impfen lassen. Mit der Zeit wird sich zeigen, wie lange die Antikörper im Blut nachweisbar sind, um dann abschätzen zu können, ob eine erneute Impfung notwendig ist.

Hier weitere Informationen vom Robert-Koch-Institut und vom Bundesgesundheitsministerium bezüglich Impfung.

Quellen:

https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.10.26.20219725v1

https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(20)30196-1/fulltext https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020.11.15.383323v1

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html

https://ladr.de/sars-cov-2-antikoerper-test

https://www.who.int/publications/m/item/draft-landscape-of-covid-19-candidate-vaccines

https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/ppt-erste-studie-sars-cov-2-impfstoff.pdf?__blob=publicationFile&v=2

https://www.nature.com/articles/s41586-020-2814-7

https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.06.30.20142570v1

https://www.fda.gov/media/144245/download

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2034577

https://de.statista.com/infografik/23690/preise-fuer-eine-dosis-ausgewaehlter-covid-19-impfstoffe/

https://de.statista.com/infografik/23570/herstellerangaben-zur-effektivitaet-von-corona-impfstoffen/

https://www.nature.com/articles/s41586-020-2798-3

https://www.nejm.org/na101/home/literatum/publisher/mms/journals/content/nejm/0/nejm.ahead-of-print/nejmoa2034577/20201217/images/img_xlarge/nejmoa2034577_t1.jpeg