Chronische Verstopfung (Obstipation) und Abführmittel  

Ein Problem, worunter viele Menschen leiden, aber worüber man nicht gerne spricht. Auch nicht mit seinem Arzt, erst recht nicht mit seinen liebsten Menschen. Es ist peinlich über seinen Stuhlgang zu sprechen. Dabei ist es für die Darmgesundheit enorm wichtig einen regelmäßigen geformten Stuhlgang zu haben. Jeder Mensch sollte im Bestfall 1x pro Tag einen weichen Stuhlgang haben. 3x in der Woche ist auch noch im Rahmen. Der Darm spielt eine zentrale Rolle und erfüllt wichtige Aufgaben wie Ausscheidung von schädlichen Produkten, Produktion von lebenswichtigen Vitaminen und Hormonen und arbeiten eng mit unserem Nerven-, Immun- und Hormonsystem zusammen.

Jeder Mensch kann mal gelegentlich festen Stuhlgang haben, krankhaft wird es dann, wenn die Beschwerden dauerhaft über mehrere Wochen andauern. Ab dann spricht man von chronischer Obstipation:  Ausscheidungsprodukte können nicht ausgeschieden werden (Schwermetalle, Gifte, Fäulnisprodukte aus Stoffwechselmechanismen) und können lange an Darmwänden „kleben“ bleiben. Außerdem entsteht ein chronischer Druck durch das Pressen, aber auch durch die festen Stuhlinhalte. Wie bei einem überfüllten Wasserschlauch kann der Druck nicht standgehalten werden.

Die Kombination aus Pressen, festen Stuhlinhalt und trägen Darm können folgende Probleme und Erkrankungen ausgelöst werden:

  • Divertikulose – Darmwandausstülpungen, die zu Entzündung und Blutungen führen können
  • Polypen – Darmschleimhautwucherungen. Sie gelten als Darmkrebs-Vorstufen
  • Darmkrebs – bösartige Erkrankung, der aus Polypen oder Geschwüren entsteht
  • Geschwüre – Lokal entzündete schmerzhafte Druckstellen der Enddarmschleimhaut, die Blutungen machen können.
  • Analfissuren – schmerzhafte Risse der Schleimhaut des Darmausgangs (After)
  • Hämorrhoiden – „Krampfadern“ am After
  • Psychische Probleme wie Depressionen und Ängste: Betroffene sind stark belastet und in ihrer Lebensqualität einschränkt

Was können Gründe für eine chronische Verstopfung sein?

Die häufigsten Gründe:

  • Falsche Ernährung – wenig Ballaststoffe, wenig Wasser, wenig probiotische Kost, stopfende Wirkung durch Stärke und Zucker (Mehl- und zuckerhaltige Produkte und Lebensmittel)
  • Bewegungsmangel – wenig Spaziergänge, sitzende Arbeit, erhöhte Mediennutzung, Nutzung von Transportmitteln statt zu Fuß oder mit Fahrrad
  • Ungleichgewicht der Darmbakterien – die schlechten Bakterien überwiegen mehr als die guten Bakterien (siehe Beitrag Dysbiose)

Spezielle Ursachen:

  • Anatomische Gegebenheiten – Schwangerschaft, Tumore, Engstellen, Anomalien, Voroperationen
  • Medikamente – z.B. Morphinhaltige Schmerzmittel, Missbrauch von Abführmittel, Eisenpräparate, Diuretika, Antidepressiva
  • Erkrankungen:
  • Hormonell, z.B. Schilddrüsenunterfunktion, Wechseljahre
  • Erkrankungen des Darms (z.B. Zöliakie, chronisch entzündliche Darmerkrankungen)
  • Störungen oder Erkrankungen des Nervensystems (z.B. Multiple Sklerose, Diabetes, Parkinson, Demenz)
  • Psychisch, z.B. Depression (durch Serotoninmangel), Magersucht (Anorexie)
  • Zustände: chronische Schmerzen, Exsikkose (erheblicher Flüssigkeitsmangel)
  • Systemerkrankungen: Sklerodermie, Cystische Fibrose

Was können wir präventiv (vorbeugend) gegen eine chronische Verstopfung tun?

  • Ballaststoffreiche Kost (Prebiotika) – Weicher Stuhlgang, zur Ernährung der Darmflora
  • probiotische Kost (Probiotika)  ggf. Einnahme von Probiotika als Medikation – zum Aufbau der Darmflora und zum Anregen von Darmtätigkeit (s. nächsten Beitrag)
  • Zuckerhaltige und Mehlprodukte möglichst vermeiden oder minimieren
  • Wasser 1,5 Liter täglich – für einen weichen Stuhlgang
  • 1 TL Schwarzkümmelöl täglich– Stuhlregulierend, Darmtätigkeit anregend, krampflösend, Darmimmunsystem stärkend
  • 1 EL Olivenöl täglichStuhlregulierend, Darmtätigkeit anregend
  • Fenchel-Kümmel-Anis-Tee – verdauungsfördernd, krampflösend, blähungstreibend

Wichtig wäre eine Kombination von allen präventiven Maßnahmen durchzuführen!

Was kann man bei akuter Verstopfung tun?

  • Bewegung – ein längerer Spaziergang bringt den Darm in Tätigkeit!
  • Flüssigkeit – 1,5-2 Liter verteilt über den Tag
  • Warme Tees v.a. Fenchel-Kümmel-Anis Tee
  • Bauchmassage – Streichen im Uhrzeigersinn mit sanftem Druck für mehrere Minuten
  • Feste Mahlzeiten vermeiden, um den Darm zu entlasten, insbesondere die stopfend wirken: Keine Mehl- oder Zuckerhaltige Produkte. Suppen, Tees und probiotische Flüssigkost (Jogurt, Kefir, Milch) sollten bei Hunger eher auf dem Plan stehen
  • Natürliche Abführmittel – Lassen Stuhl weich werden und regen Darmtätigkeit an, wichtig:  Möglichst nicht alle gleichzeitig ausprobieren, ggf. Wiederholen
  • 1 EL Apfelessig, 1 EL Olivenöl und 1 EL Schwarzkümmelöl mit lauwarmem Wasser auf leeren Magen
  • Flohsamen oder Leinsamen mit Wasser auflösen, über die Nacht stehen lassen und am Folgetag trinken
  • Obst Smoothie mit löslichen Ballaststoffen (verschiedene Obstsorten mit Chiasamen mischen und über mehrere Stunden stehen lassen)
  • Medikamentöse Abführmittel (s. unten)
  • Ggf. Schmerzmittel

Was tun, wenn man trotz all den Maßnahmen keinen regelmäßigen Stuhlgang hat?

Ihr könnt euch an euren Hausarzt zunächst wenden. Dieser kann euch dann zu einem ein Magen-Darm-Spezialist (Gastroenterologe) überweisen. Hier können zusätzlich Labor, Ultraschall, Magen-Darmspiegelung oder weitere spezielle Untersuchungen wie Darmfunktionstests gemacht werden.

Bei Warnsymptomen wie erheblicher Gewichtsverlust innerhalb von 6 Monaten, Nachtschweiß, Stuhlfarbveränderungen (rot, grün, schwarz) oder Erbrechen sollte umgehend der Hausarzt aufgesucht werden.

Was sind Abführmittel – „Laxanzien“?

Es sind Arzneimittel, die den Stuhlgang fördern und gegen akute und chronische Verstopfung eingesetzt werden können. Sie beseitigen in der Regel verlässlich die Verstopfung, nicht aber die Ursache. Daher sollte im ersten Schritt immer geschaut werden, was die Ursache sein kann, insbesondere wenn es chronisch ist. Sie regen sowohl die Darmbeweglichkeit als auch den Flüssigkeitseinstrom in den Darm an. Dadurch wird der Stuhlgang wird weicher und kann leichter ausgeschieden werden. Sie sind keine Reinigungsmittel („Detox“) des Darms und sollten auch nicht als solche missbraucht werden. Ganz im Gegenteil: bei übermäßiger Nutzung kann es zu lebensgefährlichem Mineral(Elektrolyt)- und Wasserverlust kommen, so dass möglichst es mit ärztlicher Rücksprache eingenommen werden soll oder man in der Apotheke sich gut beraten sollte. Das gilt übrigens auch für pflanzliche Abführmittel. Die Dosis ist immer entscheidend.

Es gibt 3 verschiedene Wirkmechanismen der Abführmittel:

📍Füll- und Quellstoffe

  • Diese pflanzlichen Stoffe binden sehr viel Wasser und quellen auf. Dadurch wird der Stuhlvolumen mehr und dehnt den Darm. Durch diesen Reiz kommt es zur Stimulation der Darmtätigkeit.
  • Diese Art hilft vor allem bei leichteren Fällen von Verstopfung und ist unproblematisch für Schwangere und Stillende.
  • Sie können grundsätzlich in die alltägliche Nahrung von Personen eingenommen werden, die öfter Schwierigkeiten mit der Darmentleerung haben, so sparen sich auch notwendige medikamentöse Abführmittel.
  • Vorsicht: bei übermäßiger Einnahme können Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall auftreten.

📍Osmotisch wirksame Abführmittel

  • Beispiele: Laktulose (Bifiteral), Polyethylenglykol (Macrogol, Morvivol)
  • Sie wirken stärker als Füll- und Quellstoffe. Durch ihre Inhaltsstoffe ziehen sie das Wasser in den Darm, so dass die Stuhlmenge wird größer und weicher wird. Bei Macrogolen sind es Mineralien und bei Laktulose sind es Zuckerstoffe. Bei Lactulose kommt ein weiterer Effekt dazu: Durch ihre Abbauprodukte (Milch- und Essigsäure), die Darmbakterien übernehmen, wird die Darmbewegung zusätzlich angeregt.
  • Beide Wirkungsgruppen gelangen nicht in den Blutkreislauf und werden ausgeschieden. Auch die Elektrolytverschiebungen (Blutsalze) sind eher selten zu beobachten. Daher werden bevorzugt bei notwendiger regelmäßiger Einnahme von Ärzten verschrieben. Wobei Bifiteral mehr in den Hintergrund gerückt ist. Ein Grund ist unter anderem, das Macrogole weniger Blähungen machen, da sie nicht von den Darmbakterien fermentiert werden.
  • Auch wichtig zu wissen: Bei Lactose, Galaktose- oder Fruktoseintoleranz sollte Lactulose nicht verordnet werden.

Übrigens sieht man bei der regelmäßigen Einnahme von anderen Mineralstoffen wie z.B. Magnesium Brausetabletten einen ähnlichen Effekt. Daher ist hier auch Vorsicht geboten, dass man auch hier auf Dosis achten muss.

📍Stimulierende Abführmittel

  • pflanzliche Stoffe: Anthrachinone (Rhabarberwurzel, Faulbaumrinde, Aloe, Sennesblätter), Rizinus
  • chemische Stoffe (Diphenole): Bisacodyl (Bsp. Dulcolax) oder Natriumpicosulfat (Bsp. Laxoberal)
  • Sie sind besonders wirksam, da sie mehrere abführende Effekte haben: Sie stimulieren nicht nur die Darmtätigkeit, sondern hemmen, dass Wasser und Mineralien (Elektrolyte) zurück vom Darm ins Blut und somit in den Körper wandern. Durch diesen Mechanismus bleiben Wasser und Salze in den Dickdarm einströmen, so dass auch hier der Stuhlgang weich wird.
  • Das ist ein gewünschter Mechanismus, der aber bei Überdosis zu großen Verlusten von Wasser und Salzen (Elektrolyten) führen kann und lebensgefährliche Komplikationen (Bsp. Herzrhythmusstörungen, Akutes Nierenversagen) führen kann. Bei Überdosis können auch Bauchkrämpfe verstärkt auftreten.

Wichtige Tipps bei Anwendung von Abführmitteln:

⚠ Abführmittel sollten möglichst nur kurzfristig angewendet werden und möglichst nach Rücksprache mit einem Ärzt:in, Apotheker:in genommen werden.  

⚠ Bei chronischer Obstipation, dessen Ursache nicht unbedingt behoben werden kann (Bsp. Medikamenteneinnahme wie Morphin), sollten Abführmittel nicht nur als Bedarfsmedikation, sondern als regelmäßige Medikation eingenommen werden.

⚠ Eine längere Einnahme sollte möglichst unter ärztlicher Kontrolle erfolgen. Selbst hier ist zu beachten, dass der Stuhlgang nicht zu flüssig sein darf, um großen Elektrolytverlust zu befürchten. Einfach zu merken: je dünnflüssiger der Stuhl über eine längere Zeit, desto eher der Eintritt von Komplikationen.

⚠ Ziel ist es nicht unbedingt einen täglichen Stuhlgang zu haben, sondern dass regelmäßig ein weicher Stuhlgang in der Woche kommt, wo man nicht besonders Pressen muss.

⚠ Sollte Durchfall auftreten sollte unbedingt die Dosis pausiert oder bei notweniger regelmäßiger Einnahme reduziert werden. Einmaliger oder gelegentlicher Durchfall ist in der Regel nicht gefährlich.

⚠ Bei Lactose, Galaktose- oder Fruktoseintoleranz sollte Lactulose nicht verordnet werden, da es zu zusätzlichen Beschwerden führen kann.

Sind die natürlichen Abführmittel besser?  

Auch sie sind enger gesehen ein Medikament mit Wirkung, führt zu ähnlichem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil und können bei Überdosis zu Komplikationen führen. Anders ist es bei Füll- und Quellstoffen (Leinsamen, Weizenkleie, Flohsamen). Sie sind in der Regel ungefährlich. Wer auch hier allerdings übermäßig davon isst, kann Blähungen, Bauchschmerzen und/oder Durchfall entwickeln. Daher ist hier eine vorsichtige Steigerung ratsam.

Oral oder rektale Anwendung, was ist die bessere Lösung?

Rektal: Wenn man merkt, dass man akute Verstopfung hat und der Stuhlgang bereits unten „sitzt“ ist die rektale Anwendung als Zäpfchen oder Klistier ein guter Zugangsweg. Es wirkt in der Regel schneller als die orale Anwendung. Sie haben zusätzlich einen Gleitfilm, so dass es nicht so schmerzhaft ist und der Stuhlgang besser „rutscht“.  Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass sie den Rest des Verdauungssystems nicht berühren und man weniger mit Risiken wie Elektrolytentgleisungen oder Wasserverlust rechnen muss.

Oral: Sie passieren den gesamten Verdauungstrakt. Der Wirkungseintritt ist daher langsamer als die rektale Anwendung und kann bis zu mehreren Stunden später auftreten.  Außerdem halten sie die Salze und Flüssigkeiten im Darm zurück, welches bei übermäßiger Nutzung ein Ungleichgewicht im Wasser- und Elektrolythaushalt schaffen kann und damit lebensbedrohliche Komplikationen wie z.B. Herzrhythmusstörungen zur Folge haben kann.

Machen Abführmittel „abhängig“?

Darüber gibt es 2 unterschiedliche Meinungen, wobei die aktuelle überwiegende Meinung „Nein“ ist. Früher war man oft der Meinung, dass der Darm sich an Abführmittel gewöhnt und der Effekt nachlässt und daher die betroffenen Personen immer höhere Dosen verwenden. Mittlerweile gibt es Studien, die dies widerlegen. Abführmittel werden allerdings missbraucht, beispielsweise bei Bulimie oder bei Magersüchtigen. Womit man in der Praxis gelegentlich begegnet ist, dass bei einigen eine gewisse psychische Abhängigkeit entwickeln kann, die es über Jahre hinweg unkontrolliert Abführmittel verwenden. Dabei werden dann öfter höhere Dosen verwendet, so dass diese Personen dann mit Komplikationen in der Klinik angetroffen werden können.