Deprimierende Angehörigengespräche

Heute im Angehörigengespräch: “Frau Doktor, wir wissen, dass es sehr kritisch mit meiner Mutter aussieht. Wir sind ab Freitag für drei Wochen in den USA im Urlaub. Hier ist die Adresse des Bestattungsinstituts, falls sie versterben sollte.” In diesem Moment lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich war sprachlos und murmelte nur ein “… ich gebe es weiter …” Was soll man sonst zu Menschen sagen, die bereits eine so unheimliche Entscheidung getroffen haben?

Eine Stunde später kam eine Angehörige einer anderen, auch schwer kranken Patientin. Die zunächst taff erscheinende Tochter brach plötzlich in Tränen aus: Ihre Mutter habe nach einem Sturz vor drei Monaten rapide abgebaut, davor sei sie noch absolut selbstständig und fit gewesen. Die Tochter kommt nicht damit zurecht, dass es dem Ende zugeht. Auch meine Augen füllten sich mit Tränen…

Dann starb ein anderer Patient auf Station und hat nicht einmal einen Angehörigen, den man anrufen kann 😔

Angehörige sind manchmal so unterschiedlich: Der eine ist überbesorgt, der andere kritisiert alles; der eine ist desinteressiert und kommt nicht einmal den Kranken besuchen, während der andere sehr dankbar ist und ein Lachen im Gesicht hat. Einige sind sehr ungeduldig und erwarten immer Präsenz vom Arzt. Einige wiederum können mit der Situation des Kranken nicht umgehen und weinen. Für mich ist es nicht immer einfach, von einem Gemütszustand zum anderen zu wechseln, meine Stimme dementsprechend auch mit den richtigen Tönen und Worten zu versehen. Dazu habe ich noch den Klinikalltag zu bewältigen. Wie ihr seht, ist als Arzt nicht alles rosig. Jedenfalls sind aber die Gespräche, in denen den Kranken keinen Respekt und wenig Würde geschenkt wird, die unliebsamsten …

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Welch ein Glück?!

Ich spreche mit einer Angehörigen über ihren Vater, der neu in die Klinik gekommen ist, und kläre über den Zustand auf:

„Herzschwäche!“, und dass das der Grund sei, warum seine Gesundheit die letzten Wochen permanent schlechter wurde. 

„Wirklich kein Krebs?!“ – und plötzlich beginnt sie so stark zu weinen, dass ich sie kaum beruhigen kann. Sie zittert. Dann erzählt sie mir, dass sie in den letzten Jahren erst ihren Bruder, dann die Mutter an Krebs verloren hat und der Vater der einzige Mensch ist, den sie noch hat.

Ein sehr schwerer Moment auch für mich. Wie kann ich solche Menschen trösten, gerade weil ich weiß, dass es um den Vater kritisch steht? Die Wortbalance zwischen Wahrheit und Hoffnung ist schwerer als man denkt. Ich lege meine Hand auf ihren Arm. Tränen tropfen über die Wangen. Ich nehme mir Zeit, aber auch sie muss ich wieder alleine lassen…

Eins ist mir klar: Seien wir für unsere Familie dankbar, egal wie nervig sie manchmal sein kann. Das Gefühl der Einsamkeit ist schlimmer als all das.

Bilquelle: pixabay.com