Wie ist es so als Hijabi (Kopftuchtragende) im Krankenhaus? Wie reagieren Mitarbeitende und Patient:innen auf dich? Ich kann von meiner Erfahrung als ehemalige Krankenschwester und Medizinerin folgendes sagen: Wenn du Selbstbewusstsein nach außen zeigst, dich absolut mit deinem Hijab identifizierst, hinter deiner Religion stehst, egal was die Leute sagen oder denken, dann bist du nicht verwundbar. Wenn DU es nicht als Problem siehst, wird es ein anderer auch nicht tun! Natürlich merkte ich, dass einige Leute anders zu mir waren, wenig sprachen oder mich gar nicht begrüßten. Aber ich habe versucht mir nicht so viele Gedanken darüber zu machen. Weil man aber in einer Position ist und der/die Arbeitgeber:in hinter dir steht mir deinem Hijab, trauen die Leute sich nicht, dir gegenüber etwas zu sagen. Oft steckt einfach Unerfahrenheit mit Muslim:innen dahinter, mit der Zeit haben mir viele einfach von sich aus gesagt: „Wir haben Sie ganz anders eingeschätzt!“ oder „Sie sind eine ganz andere Muslima“. Dabei habe ich oft betont, dass die Mehrheit der Muslim:innen so ist, aber leider bekommt einige durch die Medien und das Benehmen einiger Muslim:innen ein anderes Bild. Deshalb liebe ich meine Position in öffentlichen Einrichtungen und wünsche mir gerade von muslimischen Schwestern: Eignet euch Berufe an, in denen ihr ständig mit den Menschen in gutem und engem Kontakt steht, denn das schafft Verständnis und Sinneswandel ❤️.
Hier ein paar meiner persönlichen Erlebnisse im Krankenhaus
Es gibt auch mal schöne Momente im Krankenhaus. Eine ältere Dame sagte mir heute, als ich sie aufsuchte: Wissen Sie, Frau Doktor, ich liebe kopftuchtragende Frauen. Sie haben immer ein Lächeln im Gesicht und ein weiches Herz 😭❤️.
Ihre alte (auch kopftuchtragende) Nachbarin in der Straße sei auch immer sehr lieb zu ihr gewesen, das würde sie nicht vergessen … Es hat mich sehr glücklich gemacht, dass diese Nachbarin so ein positives Bild hinterlassen hat. Solche Momente zu erleben überzeugen mich jeden Tag umso mehr, dass ich zu Deutschland gehöre und auf dem richtigen Weg bin. Und dass es viele herzliche Menschen gibt, die kein AfD-/Nazi-Gedankengut an sich heranlassen – vor allem ältere Menschen nicht, auch wenn dies einige Muslim:innen denken. Ich habe diese bis jetzt immer sehr herzlich erlebt. Wir sollen und dürfen uns nicht von Medien negativ beeinflussen lassen. Von beiden Seiten. Spread Love!
Sinneswandel?!
Sinneswandel bei negativ eingestellten Nicht-Muslim:innen schaffen, davon hatte ich in meinem letzten Post erzählt. Es gibt viele Momente, die ich erleben konnte elhamdulillah. Aber eine besondere Begebenheit würde ich gerne mit euch teilen: Ich hatte Nachtdienst als Krankenschwester alleine auf Station, und einem Patienten ging es in der Nacht schlecht. Ich hatte sehr oft nach ihm gesehen, mich um ihn gekümmert, wie ich es eigentlich bei jedem tue, gerade, wenn es ihm/ihr schlechter geht. Ich habe aber schon gemerkt, dass er nicht viel mit mir sprach, mich verwundert ansah. Aber solche Reaktion war mir nicht neu: Ich kenne das von vielen anderen Patient:innen, ich habe mich primär um seinen Zustand gekümmert. Zum Glück verbesserte er sich. Weil es mein letzter Nachtdienst in der Woche war, hatte ich danach tagelang frei und kam erst Tage später zum Tagdienst. Ich sah, dass es dem Patienten wieder ganz gut ging. Er hatte sich bei mir sehr bedankt und hatte Tränen in den Augen. Ich war sehr glücklich, weil ich jemanden zufrieden machen konnte. Nachdem er entlassen wurde, erfuhr ich durch meine Stationsleitung, dass dieser Patient sich vorher weigerte, von der Intensivstation auf unsere Station verlegt zu werden, weil „eine Terroristin dort arbeitet.“ Sowohl meine Stations- als auch meine Bereichsleitung sprachen mit dem Patienten, dass er keine andere Wahl hätte als auf unserer Station zu kommen, und teilten ihm mit, dass ich ausgerechnet in dieser Nacht noch Dienst hatte. Und das war die Nacht, die ich euch oben erwähnte. Ich war sehr geschockt, wie jemand so eine Aussage treffen und so denken konnte. Gleichzeitig war ich aber auch erleichtert, dass meine Chefs hinter mir standen und auch, dass sie mir das erst im Nachhinein erzählten, denn so hatte ich die Möglichkeit, mich nicht extra zu verstellen, bösartig zu denken oder zu handeln. Und durch seine Reaktion am letzten Tag habe ich im Nachhinein gemerkt, dass die Botschaft angekommen ist, ohne dass er es von sich selbst aussprach. Denn wer bedankt sich denn schon bei einer Terroristin mit Tränen in den Augen?!❤️
Vorbild sein
Heute vor dem Chefarzt-Sekretariat sitzt ein älterer Mann, wahrscheinlich auf seinen Termin wartend. Ich gehe rein, gebe ein paar Unterlagen für die Sekretärin ab. Vor dem Reinhuschen sage ich ihm schnell „Guten Tag!“ Er schaut mich nur komisch an, und ich denke im ersten Moment: Ach, wieder so einer, der wahrscheinlich Kopftuchtragende nicht mag. Egal, vergiss schnell, den siehst du eh nie wieder … Nach meinem Rauskommen aus dem Sekretariat steht er plötzlich auf und sagt: „Entschuldigen Sie bitte“. Ich dachte jetzt kommt so eine Standpauke wie „Warum tragen sie das Kopftuch bla bla…“, aber dann sagt er: „Sie haben doch meine Frau betreut?!“ Ich: „Hm wie heißt denn ihre Frau? Wann genau?“ Er sagte: „Ja, gestern, wissen Sie nicht mehr? Sie haben meine Frau während der Untersuchung betreut. Und ich danke Ihnen so sehr für die so tolle und fürsorgliche Betreuung!“ Ich entgegnete ihm: „Das freut mich sehr, aber ich bin grade in der Notaufnahme. Ich glaube Sie verwechseln mich mit jemandem.“ Er war ratlos, er war sich doch sicher, dass ich es war, weil ich eben ein Kopftuch trug und die Pflegerin eben auch.
Ich war zwar nicht diese Person, aber irgendwie war ich sehr glücklich darüber, dass eine Muslima einen so guten Eindruck hinterlassen hatte. Außerdem ist mir noch einmal klar geworden, dass man vom ersten Eindruck über eine Person nicht gleich negativ denken soll. Man irrt sich doch immer wieder ganz schön. Irgendwie beeinflusst die aktuelle Politik uns in unserer Denkweise doch ganz schön. Jedenfalls ist mein Tag durch diese Begegnung mehr als gerettet. Lasst uns gemeinsam gute Spuren hinterlassen und Vorbilder sein… Habt ihr auch ein ähnliches Erlebnis gehabt? Ich freue mich auf eure Geschichten!