Das Gebet bei der Arbeit

Ich bekomme oft die Frage gestellt, wie ich meine Pflichtgebete während der Arbeitszeit verrichte. Das Gedenken Gottes an fünf Zeitspannen des Tages, ist Pflicht für jeden Muslim. Die Gebetszeiten des Morgen-, Mittags-, Nachmittags-, Abend-, und Nachtgebetes ändern sich täglich je nach Sonnenstand, weshalb die Zeitspannen im Sommer größer sind als in der Winterzeit. Folglich fallen meistens 1-2 Gebete in die reguläre Arbeitszeit, die in der Regel um die 5 Minuten dauern.

Solange keine Notfallsituation herrscht, ist es für mich als praktizierende Muslima essenziell, alle in meine Arbeitszeit fallende Gebete zu verrichten. Außerdem besteht die Möglichkeit in unumgänglichen Situationen das Mittags-und Nachmittagsgebet oder das Abend- und Nachtgebet miteinander zu verknüpfen. Dennoch sollte man sich bemühen alle Gebete in der vorgesehenen Zeit zu verrichten. Ich persönlich tanke viel Kraft, wenn ich meine Gebete pünktlich in der jeweiligen Zeitspanne schaffe. Vermutlich verliert man an Spiritualität, wenn man alle Gebete am Abend hintereinander nachholt, denn aufgrund der Erschöpfung aus dem Alltag kann man die Gebete letztlich als Belastung empfinden.

Ein Tipp für diejenigen, die eine neue Arbeitsstelle beginnen: Ich habe bei meinen Vorstellungsgesprächen direkt angesprochen, dass ich bete und einen Platz zum Beten brauche. So wusste mein Vorgesetzter direkt, dass ich eine praktizierende Muslima bin. Meistens spricht sich das dann in der Klinik rum, sodass es einem auch nicht peinlich ist, wenn man plötzlich bei der Arbeit beim beten „erwischt“ wird. Selbst wenn man das nicht während dem Vorstellungsgespräch anspricht, dann sollte es spätestens in den ersten beiden Wochen angesprochen, gefragt oder erwähnt werden. Diese Offenheit verschafft Sicherheit und Selbstbewusstsein. Bevor ihr eure Arbeitskolleg:innen anspricht empfehle ich euch die Dua von dem Propheten Musa (Moses) aufzusagen – meine Kraftquelle Allah’s, wenn ich mich in Situationen nicht traue.

Meine Vorgesetzten haben mir einen Raum zum Beten zur Verfügung gestellt, jedoch schaffe ich es nicht immer pünktlich dorthin, sodass ich auch mal im Arztzimmer oder in der Umkleide bete. Damit ich im Arztzimmer mein Gebet ungestört verrichten kann, mache ich das Türschild auf „Bitte nicht stören“ – so kommt in der Regel auch keiner rein. Manchmal gebe ich der Pflege kurz Bescheid, sodass ich für die kommenden fünf Minuten ungestört sein kann – für viele ist das auch absolut verständlich.

Wir machen uns oft negative Gedanken, dass Nichtmuslime uns nicht verstehen werden – dabei habe ich bisher in meinen 16 Jahren Arbeitszeit im Gesundheitswesen nicht einmal ein negatives Feedback bekommen. Warum sollte uns unsere Religion, Gottesgedenken und Dankbarkeit gegenüber Allah peinlich sein? Warum fällt es uns schwer 5-10 Minuten unserer acht stündigen Arbeitszeit für das Verrichten unserer Gebete einzuräumen? Wenn mein Arbeitgeber meine Glaubenspraxis verbieten wollen würde, wäre ich keine weitere Sekunde an diesem Ort. Deen over dunya.